Die Frage, ob andere Staaten ein Land bedingungslos unterstützen sollten, selbst wenn dieses einen Völkermord begeht, ist eine der schwierigsten moralischen und politischen Herausforderungen in den internationalen Beziehungen.
Pro: Argumente für eine fortgesetzte Unterstützung
Die Befürworter einer Fortsetzung der Unterstützung, selbst im Angesicht eines Völkermords, stützen sich meist auf pragmatische oder realpolitische Überlegungen:
- Geopolitische Stabilität und Eigeninteresse: Der unterstützende Staat könnte befürchten, dass ein Bruch der Beziehungen zu einer Destabilisierung einer Schlüsselregion führt oder einen rivalisierenden Machtblock stärkt. Das eigene strategische oder wirtschaftliche Interesse wird über die Menschenrechte gestellt.
- Einflussnahme: Nur durch fortgesetzten Kontakt und eine gewisse Unterstützung könne man hinter den Kulissen versuchen, auf eine Beendigung der Gräueltaten hinzuwirken. Ein Abbruch eliminiere diesen Einfluss.
- Vermeidung von Leid der Zivilbevölkerung: Wird die gesamte staatliche Unterstützung gestoppt, könnte dies auch Hilfsprogramme oder Infrastrukturprojekte betreffen, die der normalen Bevölkerung zugutekommen, weshalb humanitäre Hilfe getrennt werden sollte.
Contra: Argumente gegen eine bedingungslose Unterstützung
Die Gegner einer solchen Politik berufen sich auf ethische und völkerrechtliche Grundsätze:
- Moralische Pflicht und Menschenrechte: Der Völkermord ist das schwerste aller Verbrechen nach internationalem Recht. Die bedingungslose Unterstützung eines Staates, der dieses Verbrechen begeht, macht den unterstützenden Staat moralisch zu einem Komplizen. Es besteht die grundlegende ethische Pflicht, sich gegen solche Gräueltaten zu stellen.
- Glaubwürdigkeit des Völkerrechts: Wenn Staaten Völkermord dulden, untergräbt dies das gesamte internationale Rechtssystem und die prinzipielle Ächtung von Massenverbrechen, insbesondere die UN-Völkermordkonvention von 1948.
- Signalwirkung und Präzedenzfall: Die Fortsetzung der Unterstützung sendet das Signal, dass Gräueltaten keine Konsequenzen für die internationalen Beziehungen haben, und schafft einen gefährlichen Präzedenzfall.
- Responsibility to Protect (R2P): Die Unterstützung des Täterstaates steht dem R2P-Prinzip, wonach die internationale Gemeinschaft die Verantwortung trägt, Bevölkerungen vor Völkermord zu schützen, direkt entgegen.
Fazit
Die bedingungslose Unterstützung eines Staates, der einen Völkermord begeht, wird in der Regel als ein schwerer Verstoß gegen grundlegende ethische Normen und das Völkerrecht betrachtet. Während realpolitische Argumente angeführt werden, überwiegt die moralische und rechtliche Verpflichtung, sich dem Völkermord entgegenzustellen. Häufig wird ein differenzierter Ansatz gefordert: Gezielte Sanktionen gegen die Täter und die Regierung, diplomatische Isolation, aber möglicherweise fortgesetzte humanitäre Hilfe für die betroffene Bevölkerung.
